Bedenken und Anregungen der Bürgerinitiative „Leben im Böllberger Weg“ (libw)
„Eine Herausforderung der kommenden Jahre besteht darin, in den stark nachgefragten Wohnquartieren der Innenstadt eine Balance zwischen Nachverdichtung einerseits und dem Erhalt städtebaulicher und wohnumgebungsbezogener Qualitäten sowie stadtklimatisch relevanter Strukturen andererseits zu finden.“ (Integriertes Stadtentwicklungskonzept Halle, ISEK 2025, S. 132).
Wir sind der Auffassung, dass das Bauvorhaben ́Saalegarten ́ zwischen diesen beiden Polen keineswegs ausbalanciert ist. Der Grad der baulichen Nachverdichtung ist viel zu hoch, um eine nachhaltige, also eine in Zukunft gut funktionierende Lebensweise hier am Böllberger Weg zu gewährleisten und den aktuellen Anforderungen an Naturschutz und Stadtklima gerecht zu werden. Das begründen wir in 19 Einwänden und geben gleichzeitig Empfehlungen für eine kleinteiligere, niedrigere und offenere Bebauung an diesem einzigartigen Standort und Übergang zur Saaleaue. Unsere Stellungnahme als Bürgerinitiative haben wir im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit an die Stadt geschickt.
Wir kritisieren eine Planung, die sich nicht an Erforderlichkeit orientiert und an Bedarfen von Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt vorbeigeht! Wir machen auf eine absehbare Verschlechterung der Verkehrsqualität aufmerksam mit negativen Folgen für die Gesundheit der Anwohner im Viertel! Wir zeigen auf, wo gesetzliche Vorgaben missachtet oder umgangen werden sollen! Wir fordern zusätzliche Fachgutachten zu den Themen Verkehr, Lärm, Natur- und Artenschutz sowie Frischluftaustausch.
Im Folgenden können Sie eine Kurzfassung unserer Einwände lesen.
EINWAND 01: Nachhaltige Nachverdichtung ISEK 2025
In den Planungen des Vorentwurfs sehen wir das Ziel einer nachhaltigen Nachverdichtung verletzt, die laut Stadtentwicklungskonzept einhergehen soll mit einer maßvollen, maßstäblichen und behutsamem Bebauung, sanften Übergängen zwischen Siedlungsraum und Naturraum sowie einer schrittweisen Reduzierung von Dichte und Höhe der Bebauung in Flussnähe.
EINWAND 02: Festsetzung Urbanes Gebiet und Stadtstruktur
Die Festlegung eines Urbanen Gebietes (MU) dient der Verdichtung in zentrumsnahen Gebieten. Das Plangebiet gehört zur südlichen Innenstadt, d.h. ist nicht unmittelbar zentrumsnah. Ein zentrumsnahes verdichtetes Gebiet beginnt erst nach Norden ab Höhe der Torstraße. Eine Verdichtung dieses Gebietes am Böllberger Weg widerspricht der gewachsenen Stadtstruktur und riegelt die Bestandsflächen von den Erholungsbereichen des Saaleufers ab. Erst die Festsetzung eines Urbanen Gebiet (MU) ermöglicht eine höhere und dichtere Bebauung als im unmittelbar angrenzenden Bestand vorhanden ist.
Der vorhandenen Stadtstruktur angemessen wäre die Festsetzung eines Mischgebietes (MI) entlang des Böllberger Weges und eines besonderen Wohngebietes (WB) im westlichen Teil des Areals. In anderen Neubauprojekten am Saaleufer wurden weitaus maßvollere Festlegungen getroffen. Im Gebiet Hildebrandsche Mühle entsteht z.B. ein allgemeines Wohngebiet (WA) in offener Bauweise und mit deutlich niedrigeren Reihenhäusern in Ufernähe.
EINWÄNDE 03/06: Festsetzung Sondergebiet SO1 & Bedarf großflächiger Einzelhandel mit Vollsortiment
Die Ausweisung eines Sondergebietes (hier: SO1) wird durch den großflächigen Einzelhandel (Supermarkt mit 1.945 m2 Verkaufsfläche) notwendig. Sie ist gesetzlich begründet durch schädliche erwartete Umwelteinwirkungen und besondere Ansprüche an die infrastrukturelle Ausstattung. Sowohl die geplante Mischnutzung mit Wohnen innerhalb des Sondergebietes, als auch die unmittelbar angrenzende Lage des Sondergebietes am Urbanen Teilgebiet MU2 (überwiegend Wohnen) stehen im Gegensatz zu dem Ziel, ein gesundes Wohnen im neuen Quartier zu gewährleisten und eine hohe Wohnqualität zu erreichen.
Die Betreibung eines großflächigen Einzelhandels mit Vollsortiment ist laut Berechnungen der Gutachter betriebswirtschaftlich fraglich. Die gute Versorgungslage im Viertel sowie das vergleichsweise kleine Einzugsgebiet, vor allem im Nahbereich, sprechen gegen die Betreibung eines neuen Supermarktes dieser Größe. Ein Supermarkt mit einer Verkaufsfläche unter 800 m2 ist für die positive Entwicklung der Nahversorgungsfunktion an diesem Standort vollkommen ausreichend und mit weniger Risiken behaftet.
EINWÄNDE 04/05: Bedarf Wohnen & Bedarf Büros
Aufgrund der aktuellen und erwarteten Bevölkerungsentwicklung in Halle sowie der guten Verfügbarkeit von Bauflächen in zentrumsnahen Bereichen von Halle ist die Schaffung von 31.000 m2 neuer Wohnfläche nicht erforderlich. Die Anzahl an geplanten Wohnungen sollte sich stärker an aktuellen Zahlen und realistischen Prognosen der Bevölkerungsentwicklung in Halle orientieren. Vor dem Hintergrund zahlreicher geplanter Großbauprojekte in Bahnhofsnähe sowie des Trends zu mehr Homeoffice in der Zukunft ist davon auszugehen, dass der von den Investoren geplante hohe Anteil an Büroflächen nicht den Bedarfen in Halle entspricht und daher nicht erforderlich ist. Zukünftiger Leerstand von Büroflächen sollte unbedingt vermieden werden. Für die Festlegung von neuen Büroflächen solchen Ausmaßes sollten Marktanalysen im B-Plan-Verfahren berücksichtigt werden.
EINWAND 07: Familiäre Belange
Grundsätzlich sollten wohnraumschaffende Investoren nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die sozialen Belange eines Stadtviertels in Ihren Planungen verpflichtend berücksichtigen und entsprechende strukturelle Angebote, wie öffentliche Spielplätze, Kindertageseinrichtungen oder Kindergärten integrieren. Dies ist in „einer Stadt der kurzen Wege“ von besonderer Bedeutung, in der der motorisierte Individualverkehr in der Stadt reduziert werden soll. Dieses Konzept wird durch fehlende Planungen von wohnungsnahen sozialen und strukturellen Einrichtungen im B-Plan konterkariert. In diesem Zusammenhang müssen z.B. die beiden neuen Spielplätze im geplanten Quartier für die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Sonst verstärkt sich das bereits bestehende Defizit an Spielplätzen im Wohnviertel und ungewünschte Segregation wird gefördert.
EINWAND 18: Weg von den Weingärten zur Hafenbahntrasse
Die Forderung in unserer Petition und im Aufstellungsbeschluss des B-Plans, die Anlage einer zweiten Durchwegung von den Weingärten zur Hafenbahntrasse zu prüfen, wurde im Vorentwurf des B-Plans nicht ausreichend thematisiert. Die Anlage eines zweiten Weges im Nordwesten des Grundstücks ist aus stadtplanerischer Sicht jedoch sinnvoll und weiter zu verfolgen. Die gute Erreichbarkeit der Saaleaue ist als hohes öffentliches Gut zu werten und steht im Einklang mit den Zielen des ISEK 2025, eine gute Vernetzung zwischen Stadt und Fluss durch neue Zugänge, Querungen und Wege zu entwickeln.
EINWAND 08: Maß der Bebauung & Gestaltung der Baukörper
Der Vorentwurf sieht vor, für das Urbane Gebiet MU1 eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,9 und für das Sondergebiet SO1 eine GRZ von 1,0 festzulegen. Beide Werte liegen über der gesetzlich vorgeschriebenen Norm von 0,8 und bedeuten eine Flächenversiegelung von 90 % bzw. 100 %. Wir fordern die Einhaltung einer GRZ von 0,8 in beiden Teilgebieten. Erreichbar wäre dies ggfs. durch eine Unterbrechung des langen Blockes an der Hauptstraße in zwei bis drei einzelne Gebäude und eine weiter nach zurückgesetzte Bebauung entlang der Hauptstraße mit Baumbepflanzungen aus der bisher negativen Ausgleichsplanung (siehe Einwand 13).
Der Vorentwurf sieht vor, für das Sondergebiet SO1 (langer Block an der Hauptstraße mit großflächigem Einzelhandel und Hochhaus) eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 6,0 festzulegen. Dieser Wert liegt mit 3,6 Punkten über der gesetzlichen Norm von 2,4, was besonders den Planungen eines elfgeschossigen Hochhauses geschuldet und nicht zulässig ist. Durch eine geplante Sonderregelung (Festlegung 2.3 im B-Plan) gehen die beiden Tiefgaragengeschosse dabei noch nicht einmal in die Berechnung mit ein. Dies müsste allerdings erfolgen, weil die Tiefgaragengeschosse im Westen des Areals über der Geländeoberfläche liegen und eine Stockwerkshöhe >1,60 m aufweisen. Wir fordern die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen GFZ von 2,4 im Sondergebiet SO1 und die Anrechnung der Tiefgaragen- Untergeschosse zur Berechnung der Geschossflächenzahl (GFZ) in den Urbanen Teilgebieten MU1, MU2 und dem Sondergebiet SO1. Die Argumentation, dass eine gemittelte GFZ <3,0 für die Teilgebiete MU2 und SO1 berechnet würde, ist nicht zulässig, weil durch die Planung eines großflächigen Einzelhandels die Ausweisung eines Sondergebietes notwendig ist.
EINWAND 15: Verkehr Kreuzung Weingärten
3620 zusätzliche Ein- und Ausfahrten pro Tag bedingen beträchtliche bis lange Wartezeiten und häufige bis überwiegende Bildung von Rückstaus zur Berufsverkehrszeit an der Kreuzung Böllberger Weg/Weingärten (berechnete Qualitätsstufe D bis E). Zunehmende Staus und erhöhte Luftschadstoffe führen zu einer Verschlechterung der Lebensqualität der Anwohnerschaft der umliegenden Bebauung und in den angrenzenden Nebenstraßen und sind nicht zu akzeptieren. Darüber hinaus ist die Kreuzung ungeeignet für das Abbiegen von Sattelzügen zur Belieferung des großflächigen Einzelhandels.
Wir fordern eine maßvolle und angemessene Verdichtung der Bebauung, die zu keiner wesentlichen Verschlechterung der ohnehin schon angespannten Verkehrssituation am Böllberger Weg und in den Nebenstraßen führt. Das zusätzliche Verkehrsaufkommen muss deutlich reduziert werden, um eine höhere Qualitätsstufe am Knotenpunkt Böllberger Weg/Weingärten/Ludwigstraße zu erreichen. Der Bau eines Supermarktes mit einer deutlich geringeren Verkaufsfläche bis maximal 800 m2 (statt knapp 2.000 m2) kann zu einer starken Reduzierung der täglichen Ein- und Ausfahrten führen. Die Zufahrt von Sattelzügen zur Belieferung des Einzelhandels über das Wohngebiet in der Ludwigstraße muss unbedingt vermieden werden.
EINWAND 16: Verkehr Kreuzung Warneckstraße
Die verlängerte Warneckstraße ist aktuell eine Spielstraße mit einer sehr begrenzten Anzahl von Kfz-Zufahrten für die Eltern der KITA „Weltentdecker“ und die westlich gelegenen Sportvereine. Sie ist zudem eine wichtige und stark von Fußgängern und Fahrradfahrern frequentierte Zuwegung zur Hafenbahntrasse und Karl-Meseberg-Brücke. Die Spielstraße soll zukünftig im oberen Bereich der Verlängerten Warneckstraße aufgegeben und als Zufahrt für eine Tiefgarage und Kurzzeitparkplätze genutzt werden. Die Tiefgaragenzufahrt befindet sich direkt gegenüber dem Eingang zur KITA. Fahrradfahrer sollen auf einem abschüssigen Radweg an zwei kurz aufeinanderfolgenden und schlecht einsehbaren Stellen dem motorisierten Verkehr Vorfahrt gewährleisten. Ungefähr 700 tägliche zusätzliche Kfz-Zufahrten stellen eine erhebliche Zunahme des Verkehrsaufkommens an dieser Stelle dar und führen zu einem Unfallschwerpunkt zu Lasten von Fahrradfahrern, Fußgängern und Kindern.
Wir fordern eine gesonderte Zufahrt vom Böllberger Weg zu den Kurzzeitparkplätzen und zur Tiefgarageneinfahrt direkt nördlich der verlängerten Warneckstraße auf dem Grundstück der Investoren. Die Spielstraße muss in ihrer gesamten Breite für Fußgänger und Fahrradfahrer erhalten bleiben.
EINWAND 17: Verkehrsuntersuchungen Böllberger Weg
In den verkehrstechnischen Untersuchungen fehlt eine Abschätzung des Verkehrsaufkommens und einer möglichen Rückstaubildung auf dem Böllberger Weg im Abschnitt zwischen den Kreuzungen Max-Lademannstraße und Torstraße. Es ist damit zu rechnen, dass sich die ohnehin schon angespannte Verkehrslage zu Verkehrsstoßzeiten noch zusätzlich verschlechtern wird. Wir rechnen mit einer noch stärkeren Staubildung am Böllberger Weg im Berufsverkehr.
Wir fordern eine Berechnung des Verkehrsaufkommens und eine Einschätzung möglicher Rückstaubildungen zu Verkehrsspitzenzeiten auf dem Böllberger Weg an den 5 Knotenpunkten Böllberger Weg/ Max-Lademannstraße, Böllberger Weg/ Vor dem Hamstertor, Böllberger Weg/ Weingärten/ Ludwigstraße, Böllberger Weg/ Torstraße sowie der Ampelanlage an der Straßenbahnhaltestelle „Ludwigstraße“. Zusätzliches Verkehrsaufkommen durch das Bauvorhaben Saalegarten, die beiden südlichen Großbauprojekte Hildebrandsche Mühle und Ehemalige Brauerei sowie den Ausbau der Freyburg Brauerei im Norden sollten dabei berücksichtigt werden.
EINWAND 09/10: Verkehrslärm & Luftschadstoffsituation
Die Abschätzung im Vorentwurf, ob gesetzliche relevante Erhöhungen der Lärmimmissionen durch den Verkehr außerhalb des Plangebietes durch die Neubebauung erreicht werden, erfolgt nur unter Berücksichtigung der Zunahme des Verkehrsaufkommens und nicht unter Berücksichtigung der neuen Gebäude. Das räumt der Lärmexperte auf Seite 69 seines Gutachtens selbst ein. Die berechneten Verkehrslärmpegel sind daher fachlich falsch. Infolge der geplanten sechs bis elf-geschossigen Gebäudehöhen, der Nähe der Gebäude am Böllberger Weg und der unstrukturierten Baukörper auf der Westseite des Böllberger Weges ist zu erwarten, dass die durch mehrfache Reflexionen hervorgerufenen Schallimmissionen auf der östlichen Seite der Straße sehr viel höher sein werden.
Wir fordern ein vollständiges Schallschutzgutachten mit einer geschossweisen Berechnung der Lärmimmissionszunahme für die Gebiete außerhalb des Plangebiets, vor allem für die Wohnbebauung und die Kleingartenanlage auf der Ostseite des Böllberger Weges. Die Berechnungen sind sowohl unter Berücksichtigung der Zunahme des Verkehrsaufkommens als auch der geplanten Gebäudeformen und – höhen vorzunehmen.
Das zusätzliche durch den B-Plan induzierte Verkehrsaufkommen, die erwartbare erhöhte Staubildung sowie die hohe und geschlossene Blockrandbebauung lassen auch eine deutliche Verschlechterung der Luftschadstoffsituation für die Bewohner auf der östlichen Seite des Böllberger Weges erwarten. Wir fordern daher auch eine Beurteilung der Luftschadstoffsituation entlang des Böllberger Weges infolge der geplanten Neubebauung. Entsprechende Bewertungen liegen bisher nicht vor. Wir empfehlen zu prüfen, inwiefern eine zurückgesetzte, niedrigere, offenere und stärker strukturierte Bebauung entlang des Böllberger Weges und Baumpflanzungen (aus der negativen Bilanz der Ausgleichsplanungen) die Lärmimmissionen an der Hauptstraße reduzieren können und einer besseren Durchlüftung zuträglich sind.
EINWAND 11: Gewerbelärm
Vorrangig durch den Anlieferverkehr für den geplanten großflächigen Einzelhandel (Verkaufsfläche ca. 2000 m2) werden Lärmimmissionen im Norden innerhalb und außerhalb des Plangebietes verursacht, die nachts über den zulässigen Immissionsrichtwerten liegen. Das bedeutet eine deutliche Verschlechterung der Lebensqualität der Anwohner in den Weingärten und am Böllberger Weg (Höhe Ludwigstraße) und widerspricht den Grundsätzen der Bauleitplanung. Eine Lärmreduzierung durch nächtliche Anlieferungen mit Kleintransporten wird von Seiten der Gutachter empfohlen, bleibt aber unbegründet, weil entsprechende Berechnungen fehlen. Nächtliches Rangieren von LkWs vor der Tiefgarageneinfahrt Weingärten wurde in den Berechnungen nicht berücksichtigt.
EINWAND 12: Artenschutz
Der vorliegende Artenschutz-Fachbeitrag (AFB) weist starke fachliche und methodische Mängel auf und erfüllt nur einen geringen Teil der mit diesem Bauvorhaben am Rand der Saaleaue verbundenen hohen gesetzlichen Anforderungen. Die im Vorentwurf vorgelegten Baupläne in diesem sensiblen Naturraum sind auf Basis der vorliegenden Analysen nur unzureichend begründet. Der AFB behandelt nur den Abriss des Sportzentrums, naturschutzrechtliche Auswirkungen der Neubebauung werden nicht betrachtet. Dabei fehlen Betrachtungen sowohl von Gefährdungen während der Bautätigkeiten als auch bau-, anlage- und betriebsbedingten Wirkungen des Gesamtvorhabens (u.a. zusätzlicher Verkehrslärm, Anwesenheit von Menschen im bisher störungsarmen Uferbereich der Saale, zusätzlicher Bootsverkehr durch zwei geplante Bootsstege, anlagebedingte Barrierewirkung durch die geplanten Gebäudehöhen z.B. für Brutvögel und Fledermäuse im Transferflug).
Zudem entsprechen die genutzten Methoden nicht den aktuellen landesspezifischen Vorgaben. Faunistische Untersuchungen für streng geschützte Arten, die im Bereich des Saaleufers zu erwarten sind, fehlen und werden von vornherein von der Prüfung ausgeschlossen. Bezüglich des Biotopbestandes fehlt eine Biotoptypenkartierung nach aktuellen Landesrichtlinien.
Darüber hinaus wurden eindeutige Nachweise über angesiedelte Fledermäuse in den errichteten Sporthallen erbracht, die durch das Bauvorhaben nicht gestört werden dürfen. Die Maßnahmenplanung zum Schutz vorhandener Fledermäuse wird als fachlich falsch eingeschätzt, z.B. sollen Ersatzquartiere erst nach der Fertigstellung der neuen Gebäude angebracht werden, wenn vorhandene Tiere längst vertrieben sind. Die Störung und Vertreibung der angesiedelten Tiere durch die bereits begonnen Abrissarbeiten der Sporthallen ist als sehr kritisch einzuschätzen. Auch wurden Maßnahmenflächen zur Sicherung des potenziellen Zauneidechsenbestandes nicht im Vorfeld des Bauvorhabens festgelegt. Darüber hinaus fehlt eine Betrachtung aller potentiell betroffenen Brutvogelarten. Typischen gebäudebrütenden Arten, wie Bachstelze, Feldsperling, Mauersegler, Dohle, Turmfalke, Schleiereule, wird ohne Begründung pauschal ein Lebensraumpotenzial abgesprochen. Brutvögel im Umfeld des Plangebietes werden gar nicht erst betrachtet, obwohl in unmittelbarer Nähe naturnahe Gehölzbestände u.a. entlang der Saale bestehen, denen ein entsprechendes Lebensraumpotenzial zukommt.
Es liegen aktuell keine FFH-Verträglichkeitsprüfungen vor, um Störeffekte durch das Bauvorhaben auf angrenzende NATURA 2000-Schutzgebiete auszuschließen. Auch fehlen Verträglichkeitsprüfungen zu den umliegenden Naturschutzgebieten „Rabeninsel und Saaleaue bei Böllberg“, dem Landschaftsschutzgebiet „Saaletal“ und dem geschützten Landschaftsbestandteil „Pulverweiden“. Im Zuge der Errichtung des neuen Quartiers ist jedoch mit einer erheblich verstärkten Anwesenheit von Menschen im Plangebiet gegenüber dem Istzustand zu rechnen, so dass vorhabenbedingte Wirkungen auf den Schutzzweck und entsprechende Arten sowie ihre Lebensräume nicht von vornherein ausgeschlossen werden können.
Bezüglich der Eingriffsregelung ist eine umfassende Umweltprüfung für den B-Plan zu erbringen. Im Umweltbericht sind die im Plangebiet und dessen Umgebung bestehenden Ausprägungen der Schutzgüter Pflanzen und Tiere, Klima und Luft, Oberflächen- und Grundwasser sowie Boden und Landschaftsbild zu beschreiben und die vorhabenbedingten Umweltauswirkungen und Konflikte herauszuarbeiten.
EINWAND 13: Ausgleichsplanung
Im Vorentwurf liegt praktisch keine landschaftspflegerische Maßnahmenplanung vor. Die Eingriffs-/Ausgleichsbilanz behandelt ausschließlich Eingriffe durch Flächeninanspruchnahmen. Es existieren jedoch keine Schutzmaßnahmen für bestehende geschützte Biotope und Vorgaben zur Begrünung der Eingriffsfläche. Auch fehlen Vermeidungs-/ Minderungsmaßnahmen gegenüber z.B. der Verkehrsbelastung, betriebsbedingter Emissionen (u.a. Feinstaub durch den Verkehr, Müll durch Freizeitnutzung), Beeinträchtigungen des Stadtklimas, Lärm.
Die Erfassung des Ist-Zustandes, die im Vorentwurf vorgelegt wird, erfolgte bereits im Jahr 2008. Es ist fraglich, ob die damalige Bestandsbewertung aktuell noch anwendbar ist. Das Vorkommen von “Esche” und “Weide” als Hauptbaumarten in den Kartierungen des Saaleufers spricht eher für die Ausbildung einer Weichholzaue (WEA) statt einer Hartholzaue (WHA), der eine besondere Bedeutung als prioritärer Lebensraumtyp zukommt. Zusätzlich ist im Uferbereich der Saale vom Vorhandensein eines gesetzlich geschützten Biotops auszugehen. Für Eingriffe in gesetzlich geschützte Biotope ist über eine Ausnahme und Befreiung ein zusätzlicher Ausgleich zu erbringen, was in den Planungen nicht erfolgt. In der Wirkanalyse der Eingriffs-/Ausgleichsbilanz wird eine Wiederherstellung und Pflege des Hartholzauenwaldes und die Neubepflanzung der Uferkante mit Bäumen überwiegend heimischer Arten und die Etablierung eines Röhrichts am Uferstreifens als Aufwertung des Ist-Zustandes angeführt. Hier besteht offenbar ein Umweltsanierungsbedarf am Ufer nördlich der Karl-Meseberg-Brücke, der wegen unrechtmäßiger Inanspruchnahme verursacht wurde. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen sollen im Nachhinein als Ausgleich für neue Eingriffe angerechnet werden, was unrechtmäßig ist.
Die vorläufige Bilanz der vorliegenden Eingriffs- und Ausgleichsplanung ist mit ca. 30.000 Punkten negativ. Die Festsetzung der erforderlichen Kompensation soll im weiteren B-Plan Verfahren extern erfolgen. Wir fordern eine Kompensation der negativen Bilanz durch Maßnahmen vor Ort, z.B. durch zusätzliche Baumpflanzungen entlang des Böllberger Weges zur Verbesserung der lufthygienischen Situation und zur Minderung der Schallimmissionen entlang der Hauptstraße. Die Ausgleichplanungen für Begrünungen im Plangebiet sollten in den Grünordnungsplan übernommen werden.
EINWAND 14: Stadtklima und Frischluftschneise
Die hohe und weitestgehend geschlossene Blockrandbebauung im Plangebiet verriegelt den wichtigen Frischluftaustausch zwischen Saaleaue und dicht bebauter Südlichen Innenstadt. Das bedingt eine Verschlechterung der Lebensqualität der Bewohner im bestehenden Viertel. Vor allem Flurwinde, die bei windschwachen Wetterlagen im Hochsommer zwischen lufthygienisch wirksamen Grünbereichen der Gartenflächen am Ludwigsfeld mit der Hauptventilationsbahn Saaletal korrespondieren und für eine nächtliche Abkühlung in den Wohngebieten östlich des Böllberger Weges sorgen (vgl. Flächennutzungsplan), werden unwiderruflich gestört. Darüber hinaus wird auch der aus westlicher bzw. südwestlicher Richtung vorherrschende Luftaustausch bei Wetterlagen mit stärkeren Winden stark geschwächt.
Wir fordern eine Beurteilung und Berücksichtigung der stadtklimatischen Situation infolge der Neubebauung. Wir empfehlen eine niedrigere, offenere, kleinteiligere Bebauung am südlichen Rand des Planungsgebietes, eine Unterteilung des nördlichen Blockes entlang der Hauptstraße in zwei bis drei einzelne Gebäude und eine breitere und begrünte Durchwegung von der Haltestelle zur Hafenbahntrasse, um einen Frischluftaustausch der Wohngebiete mit der Saaleaue im Westen nicht gänzlich zu verhindern.
EINWAND 19: Empfehlung für kleinteiligere, niedrigere und offenere Bebauung
Um eine Verschlechterung der Lebensqualität im angrenzenden Viertel und negative Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden, regen wir an zu prüfen, inwiefern eine kleinteiligere, niedrigere, offenere und stärker strukturierte Bebauung eine nachhaltige Bilanzierung der geplanten Bebauung mit sich bringt.
Wir empfehlen:
Kein elfgeschossiges Hochhaus von 37 m – zur Bewahrung des Stadtbildes, zur Einhaltung der zulässigen Geschossflächenzahl für Sondergebiete und der Abstandsflächen im Plangebiet.
Eine weiter nach Westen zurückgesetzte und unterbrochene Bebauung entlang der Hauptstraße mit Baumpflanzungen (aus der negativen Bilanz der Ausgleichsplanungen) –zur Verbesserung der lokalen Durchlüftung und lufthygienischen Situation an der stark befahrenen Hauptstraße, zum Erhalt des Frischluftaustauschs mit der Saaleaue zur nächtlichen Abkühlung der gegenüberliegenden Siedlungsbereiche im Hochsommer, zur Minderung des Verkehrslärms an der Hauptstraße, für eine bessere Belichtung des Wohnbestands auf der Ostseite des Böllberger Weges, zur Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Versieglung von 80% im Sondergebiet 1, für ein einheitliches Straßenbild als Allee, zur Verbesserung des Stadtbildes durch die Aufnahme der Gliederung der gründerzeitlichen Bebauung gegenüber.
Eine stärker strukturierte Gestaltung der Gebäude und Gebäudefassaden entlang Hauptstraße – zur Minderung der Schallimmissionen auf der Ostseite des Böllberger Weges durch Erhöhung der diffusen Streuung des Verkehrslärms an den Fassaden der neuen Gebäude.
Eine niedrigere, maximal vier- bis fünfgeschossige Bebauung in offener Bauweise, deren Höhe in Richtung Saaleaue deutlicher abnimmt. – um einen sanften Übergang zwischen Siedlungsraum und Naturraum zu schaffen, zur Bewahrung des Stadtbildes im unmittelbaren Umfeld, zur Schaffung von freier Fläche für einen weiteren Weg von den Weingärten zur Hafenbahntrasse.
Neben der verlängerten Warneckstraße eine gesonderte Zufahrt auf dem Grundstück der Investoren zur Tiefgarage und zu den Kurzzeitparkplätzen – zum Erhalt der Spielstraße und einer guten Durchwegung für Fahrradfahrer und Fußgänger zur Saaleaue, zur Verhinderung eines Unfallschwerpunktes.
Eine breitere und mit Großgrün begrünte Durchwegung von der Haltestelle zur Hafenbahntrasse – zur Verbesserung des lokalen Stadtklimas, um eine bessere Frischluftzufuhr und Abkühlung im Hochsommer für die gegenüberliegenden Siedlungsbereiche zu ermöglichen, zur Einhaltung der Abstandsflächen innerhalb des Planungsgebietes.