Einwände und Forderungen der Bürger*inneninitiative „Leben im Böllberger Weg“ (libw)
Die zum Entwurf des Bebauungsplans vorgelegten geänderten Planungen und neuen Gutachten werten wir als grundsätzlich positiv. Sie beinhalten Kompromisse und Lösungen zu Bedenken und Anregungen, die wir in unserer Stellungnahme zum Vorentwurf geäußert hatten. Das Bauvorhaben „Saalegarten“ hat dennoch weiterhin eine Größe und stadtplanerische Dimension, die das Leben in unserem Stadtviertel deutlich verändern wird. Durch seine Lage an der Saale hat es einen direkten Einfluss auf angrenzende Uferzonen und Naturschutzgebiete der Saaleaue sowie stadtklimatisch relevante Strukturen.
Daher haben wir uns die Pläne erneut kritisch angesehen und äußern 7 Einwände mit dem Ziel, negative Auswirkungen auf die Lebensqualität in unserem Viertel, das lokale Klima und die Umwelt abzuwenden. Die Stellungnahme unserer Bürgerinitiative haben wir im Februar 2023 an die Stadtverwaltung übergeben.
Wir fordern eine Tempo-30-Zone im Böllberger Weg zur aktiven Reduzierung von neu induziertem Verkehrslärm, der über den Schwellenwerten einer Gesundheitsgefährdung liegt. Wir fordern eine um 4 Meter zurückgesetzte Bebauung und zusätzliche Baumpflanzungen entlang der Hauptstraße für eine bessere Luftqualität und einen besseren Luftaustausch. Wir fordern einen vor-Ort-Ausgleich fehlender Flächenwertpunkte gegenüber bestehendem Planungsrecht (B-Plan 101.1 „Sportparadies“). Die Eingriffs- und Ausgleichplanung ist geschönt und nicht nachvollziehbar. Die geplanten Begrünungen im Plangebiet sollten genauer im Bebauungsplan festgesetzt werden. Wir weisen auf Fehler im Artenschutz hin und fordern eine FFH-Verträglichkeitsprüfung.
Ausführliche Stellungnahme BI LIBW, 20.02.2023
Im Folgenden können Sie eine gekürzte Fassung unserer Einwände lesen.
EINWAND 1: Aktive Schallschutzmaßnahme Verkehrslärm: Tempo-30-Zone
In der Begründung zum Entwurf des Bebauungsplans wird bestätigt, dass der betreffende Abschnitt des Böllberger Weges, der auf der Ostseite durch Wohnbebauung und eine Kleingartenanlage geprägt wird, bereits ohne die geplante Neubebauung einer erheblichen Lärmbelastung ausgesetzt ist. Das betrifft auch die KITA „Weltentdecker“ und das „Haus der Wohnhilfe“. Die Schallberechnungen zeigen, dass die verkehrsbedingten Schallimmissionen entlang der Hauptstraße infolge des zunehmenden Verkehrs, der Schallreflexion an den geplanten sechsgeschossigen Gebäuden und der unmittelbar geplanten Lage der Gebäude an der Straße weiter zunehmen werden. Entlang des Böllberger Weges werden Beurteilungspegel von bis zu 71,1 dB(A) am Tag und bis zu 63,3 dB(A) in der Nacht erwartet, die deutlich über der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung liegen.
Für den vorhandenen Wohnbaubestand wird argumentiert, dass Schallschutzansprüche aufgrund von Überschreitungen der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung bereits beim Ausbau des Böllberger Weges festgestellt wurden und passiver Schallschutz durch den Einbau von Schallschutzfenstern weitestgehend ermöglicht wurde. Diese Argumentation ist nicht zulässig. Nach den Grundsätzen der Bauleitplanung sind in einem B-Planverfahren durch die Bebauung induzierte Lärmerhöhungen und damit verbundene Gesundheitsbeeinträchtigungen der Anwohner neu zu bewerten und, wenn notwendig, entsprechende Maßnahmen festzulegen, die eine potenzielle Gesundheitsgefährdung und eine Verschlechterung der Situation abwenden. Es ist daher nicht ausreichend, sich auf passive Schallschutzmaßnahmen aus vorherigen Planungen (hier: Sanierung des Böllberger Weges) zu beziehen. Passiver Schallschutz durch den Einbau von Schallschutzfenstern in der Bestandswohnbebauung und sozialen Einrichtungen (z.B. Kita, Wohnhilfe) kann zusätzlich geeignet sein, ist aber nachrangig umzusetzen. Aktive Maßnahmen sind passiven Maßnahmen vorzuziehen und im laufenden Bebauungsplanverfahren festzusetzen.
In der Begründung zum Entwurf wird eingeräumt, dass die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in den angrenzenden Straßen, insbesondere im Böllberger Weg, von 50 km/h auf 30 km/h eine wirksame aktive Schallschutzmaßnahme wäre. Allerdings wird ohne nähere Begründung abgehandelt, dass die Festsetzung einer Tempo-30-Zome in Ermangelung einer Rechtsgrundlage im Bebauungsplanverfahren nicht festgesetzt werden kann. Dem sind aktuelle Rechtsprechungen entgegenzusetzen (die wir in unserer ausführlichen Stellungnahme im Detail zitieren), nach denen im vorliegenden Fall der Ermessensspielraum der Straßenverkehrsbehörde gegen Null reduziert ist, so dass nur äußerst schwerwiegende Gründe gegen eine Einführung von Tempo 30 zum Schutz gegen Lärm sprechen können. Dazu gehört, dass das Ermessen der Straßenverkehrsbehörde zur Anordnung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen bei Überschreitung der Grenzwerte der 16.BImSchV beginnt und mit Erreichen der Werte der Lärmschutz-Richtlinien-StV sich zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichten kann. Die Werte der Lärmschutz-Richtlinien-StV nehmen dabei Bezug auf die Auslösewerte der Lärmsanierung, die wiederum seit der Veröffentlichung der Lärmschutz-Richtlinien-StV um 6 dB(A) abgesenkt wurden. Weiterhin ist anzuführen, dass die Werte, die als grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle angesehen wurden, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Lärmschutz-Richtlinien-StV identisch war, mit den Werten der Lärmschutz-Richtlinien-StV nun vom Bundesverwaltungsgericht ebenso für überdenkenswert gehalten werden. Folgt man diesen Rechtsauslegungen, so werden die grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwellen von 67 dB(A) tags und 57 dB(A) nachts für Wohngebiete an allen Wohngebäuden auf der Ostseite des Böllberger Weges und am „Haus der Wohnhilfe“ erheblich überschritten (68,1-71,1 dB(A) tagsüber an den Hausnummern 17, 18, 19, 20, 22, 23 und am Haus der Wohnhilfe; 57,4-63,3 dB(A) nachts an den Hausnummern 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23 und am Haus der Wohnhilfe).
Wir fordern daher die Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechungen und -auslegungen bei der Beurteilung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle für Lärmbelastungen im Bestand und im Plangebiet durch bestehenden und neu induzierten Verkehr und bei der Ableitung geeigneter aktiver Schallschutzmaßnahmen. Zum Schutz der Nachbarschaft vor gesundheitsgefährdenden Verkehrsgeräuschen ist ein Einhalten der Grenzwerte zwingend sicherzustellen. Zur Minderung des vorhabeninduzierten Verkehrslärms und zur Vermeidung damit verbundener Gesundheitsgefährdungen sind daher folgende aktive Lärmschutzmaßnahmen zwingend erforderlich:
- Die Einführung einer Tempo-30-Zone im Böllberger Weg im Abschnitt zwischen der Kreuzung zur Torstraße und der Kreuzung zur verlängerten Warneckstraße. Sie dient zusätzlich der Gefahrenabwehr für Kinder und Erwachsene beim Überqueren der stark befahrenen Hauptstraße im Bereich der beiden Kindertagesstätten „Weltentdecker“ und „Kindergarten Weingärten“ sowie dem „Haus der Wohnhilfe“.
- Eine Zurücksetzung der aufgehenden Gebäude nach Westen um mindestens 4 m im Plangebiet, um Schallreflektionen an den Gebäuden und damit verbundene Lärmerhöhungen zu reduzieren. Eine weiter zurückgesetzte Bebauung auf der Westseite des Böllberger Weges entspricht geltendem Planungsrecht (Bebauungsplan Nr. 101.1 „Sportparadies“).
EINWÄNDE 2 und 3: Luftschadstoffsituation und lokales Klima: Straßenbegleitende Baumpflanzungen
Die Autoren des Klimagutachtens kommen zu der Schlussfolgerung, dass die geplante Neubebauung nicht zu einer signifikanten Verschlechterung der Kaltluftzufuhr führt. Allerdings stellen die Gutachter gleichzeitig fest, dass der Luftaustausch durch die Stauwirkung der vorhandenen Blockrandbebauung entlang des Böllberger Wegs bereits nachhaltig gestört ist. Diese Situation ist einer guten Luftqualität an der viel befahrenen Hauptstraße nicht zuträglich.
Bereits jetzt ist der Böllberger Weg im Bereich des Plangebietes eine stark befahrene Hauptstraße, auf der es im Berufsverkehr bereits jetzt häufig zu Rückstaubildungen kommt. Durch das Bauvorhaben entsteht ein nicht unerhebliches zusätzliches Verkehrsaufkommen am Böllberger Weg. Die Staubildungen werden dadurch weiter zunehmen. Daher muss von einer zunehmenden Belastung an Luftschadstoffen infolge des zunehmenden Verkehrs und der geplanten, immer noch sehr hohen und geschlossenen Blockrandbebauung ausgegangen werden. Und die nächtliche Abkühlung entlang der stark versiegelten Hauptstraße wird an heißen Sommertagen abnehmen, weil der offene Luftaustausch zur Saaleaue weiter zugebaut wird. Auch die geplante Unterteilung des über 100 m langen Blockes im Norden in zwei immer noch 50 bis 70 m lange Blöcke (Häuser N2 und N3) wird nicht ausreichen, um eine Verschlechterung des Luftaustauschs und der Luftschadstoffsituation am Böllberger Weg tatsächlich abzuwenden. Wir sehen darin eine Missachtung des Grundsatzes der Bauleitplanung. Zu beachten sind hierbei insbesondere auch die KITA „Weltendecker“ am Böllberger Weg mit Außenspielplätzen sowie die Naherholungsnutzung der direkt angrenzenden Kleingärten.
Zusätzliche Straßenbaumanpflanzungen sind laut Fachbeitrag Stadtklima der Stadt Halle ein empfohlenes Mittel, um eine Verbesserung von lokalklimatischen Situationen zu erreichen. Baumpflanzungen auf der westlichen Straßenseite des Böllberger Weges erhöhen die Resilienz des Plangebiets gegenüber dem Klimawandel und sorgen für saubere Luft. Sie dienen der Luftfilterung, Beschattung und Verdunstungskühlung entlang der Hauptstraße. Die Wohn- und Aufenthaltsqualität lassen sich verbessern, indem der Böllberger Weg zur Allee wird. Entsprechende Anpflanzungen müssten zwangsläufig im Plangebiet erfolgen.
Wir fordern daher folgende Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. 208, die einer Verbesserung der Luftschadstoffsituation sowie des lokalen Klimas entlang des Böllberger Weges dienen:
- eine zurückgesetzte Bebauungsgrenze für die Gebäude in Höhe der Häuser N1 bis N3 um mindestens 4 Meter von der vorhandenen Fußweggrenze,
- einen Grünstreifen mit Anpflanzungen von mindestens 10 bis 14 Bäumen (säulenförmiger Spitzahorn entsprechend der Ostseite des Böllberger Weges) und Strauchgehölzen.
Wenn noch Flächenwertpunkte aus altem Planungsrecht offen sind, können diese Punkte für die Begrünung an der Hauptstraße eingesetzt werden.
EINWAND 4: FFH-Vorprüfung
Für das Bauvorhaben am Übergang zur Saaleaue sind FFH-Verträglichkeitsprüfungen entsprechend § 34 BNatSchG für das FFH-Gebiet „Saale,-Elster,-Luppe-Aue zwischen Merseburg und Halle“ (FFH0141, DE 4537-301) und das Vogelschutzgebiet „Saale-Elster-Aue südlich Halle“ (SPA0021, DE 4638-401) aufzustellen, weil im Zuge der geplanten Bebauung mit einer erheblich verstärkten Anwesenheit von Menschen im und um das Plangebiet gegenüber dem Istzustand auszugehen ist. Die vorliegende FFH-Vorprüfung weist fachliche und methodische Mängel auf und erfüllt nur einen Teil der hohen gesetzlichen Anforderungen. Bestimmte Wirkungen auf die Tierwelt werden gar nicht betrachtet und fehlen im Fazit resultierender Beeinträchtigungen.
Nach Vorgaben des Bundesamtes für Naturschutz sind dabei grundsätzlich anlage-, bau- und betriebsbedingte oder ggf. auch nachbetriebsbedingte Wirkfaktoren in einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu betrachten. Für das Bauvorhaben sind z.B. nichtstoffliche Einwirkungen wie akustische Reize, optischen Reizauslöser durch Bewegung und Licht relevant. Das schließt Störungen von Tieren mit ein, die unmittelbar auf die Anwesenheit von Menschen zurückzuführen sind. In dem vorliegenden Gutachten zur FFH-Vorprüfung wird nicht zwischen bau- und betriebsbedingten nichtstofflichen Reizen unterschieden und unterschlagen, dass durch das Wohnprojekt und den geplanten Bootssteg in Ufernähe plötzlich Menschen anwesend sein können, die dort ohne das Bauvorhaben nicht wären. Die vorliegende Wirkanalyse und anschließende Prognose möglicher Beeinträchtigungen sind damit in einem wichtigen Teil mangelhaft und nicht ausreichend.
Die von den Gutachtern als anwesend und potenziell betroffen festgestellten Biber und insbesondere Fischotter sind besonders störempfindlich gegenüber der Anwesenheit von Menschen. Die getroffene Annahme, die betroffenen Individuen seien daran adaptiert, gilt eben gerade nicht. In diesem Zusammenhang ist betrachtungsrelevant, ob es zu einer vermehrten Anwesenheit von Menschen während der Hauptaktivitätsphase der Arten (Dämmerung, Nacht) im Ufer- und Gewässerbereich kommen kann. Eine störinduzierte Barrierewirkung zwischen Habitatteilflächen (Quartier der Jungenaufzucht, Nahrungshabitat) während der Reproduktionszeit kann hier potenziell eben doch erhebliche Auswirkungen für die Arten haben, was im Rahmen der FFH-Vorprüfung abzuklären wäre. Ggfs. sind als Vermeidungsmaßnahmen Vorgaben zur Beleuchtung der Wegeführung zur Reduzierung der nächtlichen Nutzung im Uferbereich oder zeitliche Nutzungsbeschränkungen des Bootsbetriebes und der Bootssteganlage vorzunehmen. Nur wären das dann keine präventiven Vermeidungsmaßnahmen mehr. Zu klären ist das in einer vollständige FFH-Verträglichkeitsprüfung.
Wir fordern eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, die den methodischen Vorgaben entspricht und alle als relevant einzustufenden Wirkfaktoren für dieses Bauvorhabens nach Lambrecht et al (2004) beinhaltet. Die Verträglichkeitsprüfungen auf Ebene einer Vorprüfung können diesbezüglich als nicht ausreichend angesehen werden. Die schutzgebietsbezogene Maßnahmenplanung ist vollständig im Bebauungsplan Nr. 208 festzusetzen.
EINWAND 5: Artenschutz
Im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung hatten wir Bedenken zu fachlichen und methodischen Mängeln im Artenschutz-Fachbeitrages geäußert. Der vorliegende Artenschutz-Fachbeitrag wurde allerdings nicht überarbeitet. Auf Basis der vorliegenden artenschutzfachlichen Analysen sind die vorgelegten Baupläne in diesem sensiblen Naturraum nur unzureichend fachlich begründet.
Die Gutachter haben in der FFH-Vorprüfung Biber und Fischotter als betrachtungsrelevant festgestellt. Die Autoren stellen ausdrücklich fest, dass die vorliegende FFH-Vorprüfung eine solche Artenschutzbetrachtung nicht ersetzt. Der nicht überarbeitete Artenschutz-Fachbeitrag enthält jedoch keinerlei Angaben zu den beiden nach FFH-Richtlinie streng geschützten Arten. Für diese fehlt daher eine Behandlung bezüglich des besonderen Artenschutzes nach § 44 Abs. 1 BNatSchG. Die Planunterlagen sind daher unvollständig und nicht genehmigungsfähig.
Darüber hinaus ist eine Bestandserfassung der Vorkommen europäischer Brutvögel als Revierkartierung entsprechend der aktuellen Methodenstandards außerhalb des Plangebietes vorzunehmen, damit u.a. auch indirekte bau- und betriebsbedingte Störwirkungen des Bauvorhabens artenschutzfachlich abschätzbar werden. Unter Beachtung der planerisch relevanten Fluchtdistanzen für die Greifvögel Rotmilan und Schwarzmilan ist mindestens ein Untersuchungsgebiet inklusive eines 300 m-Puffers um das Plangebiet zu wählen.
Vollständige Bestandserfassungen der Vorkommen streng geschützter Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie sind entsprechend vorzunehmen. Artenschutzfachlichen Maßnahmen sind vollständig im Bebauungsplan Nr. 208 festzusetzen. CEF- und FCS-Maßnahmenflächen sind im Bebauungsplan entsprechend festzusetzen und mindestens dringlich im Grundbuch zu sichern.
EINWAND 6: Flächenwertbilanz (Eingriffs-/Ausgleichsplanung)
In der Eingriffs- und Ausgleichplanung ist der aktuelle Planungszustand des Bauvorhabens mit 93.370 Flächenwertpunkte ohne die Hartholzauenbereiche (WHA) westlich der Hafenbahntrasse mit Biergarten und Minigolfanlage angegeben. Als Referenzzustand für eine Ausgleichsbilanzierung wurde die Baustelle vor dem Abriss des Sportparadieses 2021 herangezogen, die einen sehr geringen Flächenwert von 18.106 Punkten aufweist. Daraus wird ein vermeintlicher Zugewinn von 75.264 Wertpunkten berechnet und ein ausgeglichener Eingriff geschlussfolgert.
Diese Darstellung einer positiven Flächenwertbilanz ist widersprüchlich, nur zum Teil nachvollziehbar und hält einer Prüfung nicht stand. Dem Bauvorhaben wird ein grünes und stadtklimatisch positives Image verliehen, welches in Bezug auf den noch rechtskräftigen Bebauungsplan 101.1 „Sportparadies“ nicht gerechtfertigt ist. Das Gegenteil ist der Fall. Das geplante Bauvorhaben weist im Vergleich zum Bebauungsplan Nr. 101.1 (161.647 Punkte ohne WHA) ein Minus von ca. 68.277 Wertpunkten vor Ort auf. Denn auf dem Gelände des Sportparadieses war eine viel geringere Versiegelung und stärkere Begrünung vorgesehen, z.B. die Anpflanzung von 40 Bäumen entlang der Hauptstraße.
In der Begründung zum Entwurf des Bebauungsplans wird argumentiert, dass bis 2022 noch nicht erfüllte Ausgleichsverpflichtungen aus dem bisherigen Planungsrecht des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 101.1 in einem Ökokonto im Bereich des Bebauungsplans Nr. 158 am Hufeisensee ausgeglichen wurden. Allerdings wird die Höhe der extern ausgeglichenen Flächenwertpunkte nicht benannt. Es kann sich bei den bereits extern ausgeglichenen Punkten allerdings nicht um alte Verpflichtungen aus dem Bebauungsplans Nr. 101.1 handeln. Die Biotopwertpunkte des Bauvorhabens „Sportparadieses“ (260.727 bzw. 161.647 Punkte ohne WHA) lagen über den Flächenwertpunkten der ehemaligen Industriebrache (254.046 bzw. 136.686 Punkte ohne WHA). Ein externer Ausgleich von Flächenwertpunkten war somit nicht erforderlich und wurde demzufolge auch nicht mit dem Bebauungsplan Nr. 101.1 beschlossen.
Durch die Auswirkungen des zunehmenden Klimawandel halten wir es für erforderlich, neue große Bauvorhaben wie den „Saalegarten“ hinsichtlich ihrer Klima- und Grünplanung kritisch zu beurteilen und eine stärkere Begrünung, weniger Versiegelung und naturschutzbedingte Flächenwertsteigerungen in den Plangebieten selbst zu erreichen. Daher fordern wir eine vollständige und nachvollziehbare Vor-Ort-Bilanz der Flächenwertpunkte aus der aktuellen Eingriffsbewertung und Ausgleichplanung, die sich gegenüber dem aktuell noch geltenden Bebauungsplan Nr. 101.1 „Sportparadies“ ergibt. Eine Flächenwertbilanzierung, die sich allein auf den Baustellenzustand 2021 bezieht, halten wir für nicht zulässig. Wir fordern, dass der potenzielle Flächenwertverlust von ca. 68.277 Flächenwertpunkten durch die aktuellen Planungen gegenüber geltendem Planungsrecht vor Ort ausgeglichen wird. Die entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen sind mit Kennzeichnung der Maßnahmenflächen im Bebauungsplan grünordnerisch festzusetzen.
EINWAND 7: Grünordnerische Festsetzungen
Wir halten die grünordnerischen Festsetzungen in Textform unter Punkt 7 des Bebauungsplans für nicht ausreichend, um eine Umsetzung der Entwicklungsmaßnahmen in ausreichend hoher Qualität zu gewährleisten und eine Grundlage für entsprechende Kontrollen der Neuanpflanzungen und deren Pflege zu schaffen. Das betrifft vor allem die Festsetzungen zu den hochwertigen Gebieten des Saaleufers nordöstlich der Hafenbahntrasse, wo auf 227 m2 ein Hartholzauenwald (WHA) und auf 1305 m2 ein Baumbestand aus heimischen Arten (HEC) entwickelt werden soll.
Die genauen anzupflanzenden Gehölzarten werden nicht benannt und sind im Bebauungsplan mindestens festzusetzen. Nach dem BNatSchG ist dabei auf zertifiziertes heimisches Pflanzgut zu achten. Aber auch Angaben zu ggfs. notwendigen Holzungen nicht heimischer Gehölzarten, Bodenvorbereitungen, zum Pflanzgut (Arten, Größe/Alter, Herkunftsgebiet), zu Anzahl der Pflanzen und Pflanzschema, Anwachshilfen, Schutzzäunung und entsprechenden Anwachs-/ Entwicklungspflegemaßnahmen sind i.d.R. anzugeben.
Die Ausgleichplanungen für Begrünungen im Plangebiet sollen in einen Grünordnungsplan inklusive entsprechender Maßnahmenblätter übernommen werden. Die Maßnahmenblätter müssen so detailliert sein, dass daraus ein Leistungsverzeichnis für die Landschaftspflegefirma erstellt werden kann.
GEÄNDERTE PLANUNGEN IM ÜBERBLICK
In unserer Stellungnahme zum Vorentwurf des Bebauungsplans hatten wir im Mai 2021 19 Einwände zu den Themen Nachverdichtungsgrad & bauliche Erscheinung, Verkehr & Lärmschutz, Natur- & Klimaschutz sowie soziale Folgen formuliert und begründet. Der Investor hat seine Pläne daraufhin angepasst. Der aktuelle Entwurf vom Januar 2023 beinhaltet nun Kompromisse und Lösungen zu einigen unserer Bedenken, andere Anregungen wurden wiederum nicht aufgegriffen. In der folgenden Tabelle geben wir einen Überblick über die geänderten Planungen in Bezug unsere Einwände zum Vorentwurf.